Unsere Arbeitsgruppe hat sich vorgenommen, Auswirkungen von Trockenstress auf das Pflanzenwachstum zu untersuchen.
Projektziel war, einen Zusammenhang zwischen Wasserverfügbarkeit für Pflanzen und Pflanzenwachstum darzustellen.
Insbesondere wollten wir durch unterschiedliche Bewässerung der Pflanzen im Hochbeet herausfinden, wie sich Wassermangel auswirkt auf:
- das Höhenwachstum der Pflanzen
- die Blütenzahl
- den SLA-Wert der Blätter.
Als Experimentierpflanze haben wir die zweijährige Pflanze Echium vulgare gewählt. Im Vorjahr wurde sie ausgesät und in kleinen Pflanztöpfen angezogen. Im Mai 2020 wurden die Pflanzen in größere Kunststofftöpfe umgepflanzt und ins Hochbeet gestellt. ( s. Abb. 1 und 2)
Unsere Untersuchungen waren also keine Laboruntersuchungen (konstante Umweltbedingungen), sondern Freilanduntersuchungen. Die Pflanzen waren zwar überdacht, ansonsten aber der Witterung ausgesetzt, wie sie im unteren Teil des Botanischen Gartens der Uni Ulm geherrscht hat. Gelegentlich gab es Morgennebel, zeitweise war es sehr feucht, manchmal schwül, öfters war es sehr heiß und trocken. Die Wetterdaten wurden allerdings bei der Versuchsauswertung nicht berücksichtigt.
Jeweils 6 Pflanzen wurden zu einer Gruppe ( P1, P2, P3, P4) zusammengefasst. Jede Gruppe wurde unterschiedlich bewässert.
Pflanzen der Gruppen P1 und P2 sollten so bewässert werden, dass die Pflanzen viel (P1) bzw. ausreichend Wasser (P2) zur Verfügung haben.
Pflanzen der Gruppen P3 und P4 sollten wenig bis sehr wenig Wasser zur Verfügung haben, also mäßig bzw. stark unter Trockenstress leiden.
Aus der Pflanzenforschung ist bekannt, dass Gemüsepflanzen bei Anstaubewässerung bei einer Bodenfeuchte (Bodenwasserpotential, Saugdruck) von etwa – 80hPa optimal gedeihen. Dieser Richtwert war für uns Anlass, die Bewässerungssteuerung am Hochbeet folgendermaßen einzustellen: Fällt die am Tensiometer T1 (s. Abb. 3) gemessene Bodenfeuchte unter – 70 hPa, startet ein Bewässerungszyklus.
Weil das Hochbeet im Freien steht, hatten Witterungsbedingungen natürlich auch Einfluss auf den Zeitpunkt der Bewässerung.
Von Mai bis Ende Juni wurden alle Pflanzen zunächst mit dem Anstauverfahren bewässert. Erst Anfang Juli 2020 konnten wir mit der individuellen Tropfbewässerung und damit dem eigentlichen Versuch beginnen.
.
.
Bewässerungsschema
Abb. 3 zeigt die Einteilung der Pflanzen in die vier Gruppen P1, P2, P3 und P4 und den Aufbau des Hochbeets aus verschiedenen Komponenten: Regenwassersammler und Regenwassertank, Photovoltaikzelle zur Stromgewinnung, Steuerungseinheit, Pumpe und Durchflussregler für die Bewässerung. Außerdem erkennt man das Tensiometer T1 (Bodenfeuchte-Messgerät), das für die Steuerung des Bewässerungszyklus verantwortlich war. Zu sehen sind auch die Tensiometer T2, T3 und T4 zur Messung der Bodenfeuchte in den Pflanztöpfen der Gruppen P2, P3, und P4.
Pflanzen der Gruppe P1 wurden im Anstauverfahren bewässert ( definiert als Bewässerung mit viel Wasser).
Pflanzen der Gruppen P2, P3 und P4 waren mit Einzeltropfern ausgestattet.
Die Durchflussregler waren auf 3l/h, 2l/h bzw. 1l/h eingestellt.
Ein Bewässerungszyklus im Tropfverfahren dauerte 10 min.
Damit ergab sich für die Pflanzen eine errechnete durchschnittliche Wassermenge von:
Gruppe P2: 3/6 l = 500 ml Wasser für 6 Pflanzen; das entspricht ca. 84 ml Wasser pro Pflanze pro Bewässerungszyklus, definiert als Bewässerung mit ausreichend Wasser.
Gruppe P3: 2/6 l ≈ 333ml Wasser für 6 Pflanzen; das entspricht ca. 55 ml pro Pflanze pro Bewässerungszyklus, definiert als Bewässerung mit wenig Wasser.
Gruppe P4: 1/6 l ≈ 167 ml Wasser für 6 Pflanzen; das entspricht ca. 28 ml pro Pflanze pro Bewässerungszyklus, definiert als Bewässerung mit sehr wenig Wasser, entspricht Trockenstress.
Um Wasserverluste auszuschließen, stand jeder Topf der Gruppe P2, P3 und P4 auf einem Untersetzer.
Die Anzahl der Bewässerungszyklen war, je nach Witterung, sehr unterschiedlich. Bei Regenwetter wurde die Bewässerung nur alle paar Tage ausgelöst, bei Hitze und Trockenheit mehrmals am Tag. Für die Auswertung unserer Messungen war aber die absolute Wassermenge nicht relevant; wir wollten die Unterschiede der Pflanzengruppen herausarbeiten.
Das Diagramm (Abb. 4) zeigt die gemessenen Bodenwasserpotentiale bei den Bewässerungsszenarien P2 (ausreichend Wasser), P3 (wenig Wasser) und P4 (sehr wenig Wasser):
Der Mittelwert des Bodenwasserpotentials lag für die Pflanzen von P4 (Trockenstress) bei – 400 hPa (rot), bei denen mit wenig Wasser (P3) bei ca. – 150 hPa (grün) und bei denen mit ausreichen Wasser (P2) bei -80hPa (blau).
Mit einem Testverfahren wurde außerdem untersucht, ob zwischen den Mittelwerten der drei Gruppen ein statistisch signifikanter Unterschied besteht oder nicht. Dabei werden die verschiedenen Mittelwerte mit verschiedenen Buchstaben (a, b, etc.) gekennzeichnet, wenn sich als Testergebnis ergibt, dass sich die verschiedenen Mittelwerte signifikant unterscheiden; sie werden mit den gleichen Buchstaben gekennzeichnet, wenn der Unterschied nicht signifikant ist. Die Buchstaben a, b etc. erscheinen im Diagramm ganz oben.
Für die Messung des Bodenwasserpotentials ergab dieser Test einen signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe P4 (Bezeichnung mit a) und den beiden Gruppen P3 und P2 (Bezeichnung beide mit b), aber keinen signifikanten Unterschied zwischen P3 und P2 (jeweils b)
.
.
.
Höhendifferenz nach 28 Tagen
Mit den Messungen konnten wir erst im Juli beginnen. Bis dahin hatten sich die Pflanzen unterschiedlich entwickelt und auch schon Blüten ausgebildet. Deshalb war es sinnvoll, nicht die absolute Höhe auszuwerten, sondern die Höhendifferenz. Gemessen wurde jeweils die Gesamthöhe der Hauptsprossachse. Die Zunahme der Wuchshöhe nach 28 Tagen wurde durch Differenzbildung ermittelt.
Das Diagramm (Abb. 5) zeigt den durchschnittlichen Höhenzuwachs innerhalb von 28 Tagen bei den verschiedenen Bewässerungsszenarien.
Bei Pflanzen von P1 (Anstaubewässerung) ergab sich eine Höhenzunahme von durchschnittlich 6 cm (lila), bei Pflanzen von P2 (ausreichend Wasser) ergab sich eine mittlere Zunahme von 4,8 cm (blau), bei Pflanzen von P3 (wenig Wasser) ergab sich eine Zunahme von 3,9 cm (grün) und bei Pflanzen von P4 (sehr wenig Wasser) ergab sich eine Zunahme von 3,9 cm (rot). Die durchschnittliche Abweichung von Mittelwert (nach oben und unten) ist insbesondere bei den P2-Pflanzen (blau) relativ groß.
Das statistische Testverfahren zeigt, dass es in Bezug auf die Höhenzunahme wegen der großen Streuung der Werte insbesondere bei P2 keine signifikanten Unterschiede zwischen den vier Bewässerungsszenarien gibt. Alle vier Mittelwerte sind mit dem gleichen Buchstaben a gekennzeichnet.
.
.
.
Blütenzahl und Habitus
Die Bilder Abb. 6 bis 11 zeigen, dass die Wassermenge einen Einfluss auf das Erscheinungsbild (Habitus) der Echium vulgare Pflanzen hat.
Pflanzen, die viel Wasser erhalten ( Abb. 6 und 8) haben helles Blattgrün, viele lange Seitentriebe und große Blüten, die weit an Wickeln stehen.
Pflanzen, die wenig Wasser erhalten ( Abb. 7 und 9) haben dunkleres Blattgrün, einen kompakteren Habitus mit kurzen und wenigen Seitentrieben und kleinere Blüten, die eng an Wickeln stehen.
Die Blütengröße haben wir jedoch nicht systematisch erfasst.
Das Diagramm (Abb.12) zeigt, dass Pflanzen aus Gruppe P1 (Bewässerung im Anstauverfahren, lila) und aus Gruppe P2 (ausreichend Wasser, blau) im Mittel ca. 290 Blüten gebildet haben, dass Pflanzen aus Gruppe P3 durchschnittlich 240 Blüten (grün) hatten und Pflanzen aus Gruppe P4 (sehr wenig Wasser, Trockenstress) im Mittel 215 Blüten (rot).
Das statistische Testverfahren zeigt, das Pflanzen aus Gruppe P4 signifikant weniger Blüten ausgebildet haben als Pflanzen aus den Gruppen P3 (genügend Wasser) und P1 (Bewässerung im Anstauverfahren). Das belegen die Bezeichnungen a bzw. b. Die Pflanzen der Gruppe P3 (wenig Wasser) werden mit ab klassifiziert; ihre Blütenzahl liegt dazwischen.
Die Verfügbarkeit von Wasser hat also einen Einfluss auf die Blütenbildung. Je weniger Wasser, desto weniger Blüten.
.
.
.
Spezifische Blattfläche (SLA-Wert)
Der SLA-Wert, also das Verhältnis von Blattfläche und Blattmasse gibt Hinweise auf das Wachstum der Blattzellen. Je kleiner der SLA-Wert eines Blattes im Vergleich zu anderen derselben Art, umso dichter gepackt sind die Zellen und umso dicker die Zellwände. Dicke Zellwände vermindern die Verdunstung und schützen vor Austrocknung. So steigern die Pflanzen ihre Wassernutzungseffizienz.
Das Diagramm (Abb. 14) zeigt den Zusammenhang der spezifischen Blattfläche (SLA-Wert) der Echium vulgare-Blätter vom jeweiligen Bewässerungsszenario.
Blätter der P1-Pflanzen (lila, Anstaubewässerung) und P2-Pflanzen ( blau, ausreichend Wasser) haben SLA-Werte von durchschnittlich ca. 2 dm²/g; die Blätter von P3-Pflanzen haben im Mittel SLA-Werte von 1,6 dm²/g und diejenigen von P4-Pflanzen 1,5dm²/g.
Das statistische Testverfahren weist zwei signifikant unterschiedliche Bereiche (a) und (b) aus. Blätter der P3- und P4-Pflanzen, die wenig bzw. sehr wenig Wasser zur Verfügung hatten ( jeweils a), hatten signifikant niedrigere SLA-Werte im Vergleich zu den Pflanzen, die ausreichend Wasser zur Verfügung hatten (jeweils b).
.
.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Abbildungen 15 und 16 zeigen Echium vulgare Pflanzen im Hochbeet gegen Ende der Versuchsdurchführung Mitte August.
Unser Versuch hat gezeigt, dass Echium vulgare auf eine Reduzierung der zur Verfügung stehenden Wassermenge reagiert. Eine Reduzierung der Wassermenge durch regulierte Tropfbewässerung führt zu deutlich kleineren, kompakteren und weniger verzweigten Pflanzen, wobei die Ausprägung mit abnehmender Wassermenge zunimmt. Die Pflanzen waren auch deutlich stärker von Schädlingen befallen.
Unsere Ergebnisse haben Folgendes gezeigt:
1.
- Je trockener der Boden, umso kleiner ist das Bodenwasserpotential.
- Die Bewässerung bei Gruppe P2 (ausreichend Wasser) ergab Bodenwasserpotentialwerte von rund -80 hPa, was für das Pflanzenwachstum als optimal gilt.
- Der Unterschied zum Bodenwasserpotential bei Gruppe P4 (Trockenstress) mit – 400 hPa war signifikant. Die Bewässerungsszenarien von P3 und P2 ergaben allerdings keine signifikanten Unterschiede.
2.
- Der Höhenzuwachs bei Pflanzen mit sehr wenig (P4) bis wenig (P3) Wasser war zwar im Durchschnitt kleiner als der Höhenzuwachs bei den Pflanzen, die ausreichend bis viel Wasser (P2 Und P1) zur Verfügung hatten. Allerdings war der Unterschied nicht signifikant.
- Abb. 15 zeigt, dass Pflanzen aus Gruppe P4 die geringste Gesamthöhe hatten.
- Eine Erklärung könnte sein, dass die Trockenstressbehandlung zu spät begonnen wurde oder der Zuwachs der Hauptsprossachse kein geeigneter Indikator ist. Besser geeignete Merkmale könnten sein: Anzahl und Länge der Verzweigungen oder Wuchsform (gestaucht, gestreckt).
3.
- Die Blütenanzahl nimmt mit abnehmender Wasserverfügbarkeit ab. Bei der Anzahl der Blüten war der Unterschied zwischen den Pflanzen mit Trockenstress (P4) und denen, die ausreichend Wasser zur Verfügung hatten (P2) signifikant.
4.
- Bei der spezifischen Blattfläche (SLA-Wert) gab es signifikante Unterschiede zwischen den Bewässerungsszenarien P4 (Trockenstress) und P3 ( wenig Wasser) und denen für P2 (ausreichend Wasser) und P1 ( viel Wasser).
- Der SLA-Wert wird mit abnehmender Verfügbarkeit von Wasser kleiner.
- Trockenstress führte, vereinfacht gesagt, zu dickeren Blättern. Das weist auf eine gesteigerte Wassernutzungseffizienz hin.
Unsere Arbeitsgruppe bedankt sich ganz herzlich bei den Mitarbeitern des Botanischen Garten der Uni Ulm. Ohne deren Sachverstand und ohne deren Mithilfe hätte das Projekt nicht realisiert werden können. Unter anderem halfen sie bei der Saatgewinnung, der Substratauswahl, dem Pikieren, der Auswahl der Pflanztöpfe, dem Ausbringen der Pflanztöpfe ins Hochbeet, dem Einholgen der Töpfe mit den verblühten Pflanzen am Ende des Experimentes.
.
.
.
.